Ellen Babić
Schauspiel von Marius von Mayenburg
Die Lehrerin Astrid lebt mit ihrer deutlich jüngeren, ehemaligen Schülerin Klara zusammen. Eines Abends kündigt sich ihr Vorgesetzter, Schulleiter Balderkamp, zu einem Gespräch bei ihr zuhause an, ganz informell, bei einem Glas Wein. Doch Klara hat Zweifel, dass es sich hier um einen wirklich harmlosen Termin handelt. Und so vermischen sich an diesem Abend Berufliches und Privates, Vergangenheit und Gegenwart auf unheilvolle Art. Schnell steht der Vorwurf der sexuellen Belästigung während einer Klassenfahrt im Raum, den der Vater der 16-jährigen Ellen Babić Astrid gegenüber Astrid hat. Astrid weist alle Anschuldigungen von sich. Wird sie zu Unrecht des Missbrauchs einer Minderjährigen beschuldigt? Wie eine Spinne webt Balderkamp mit den mehr oder weniger versteckten Drohungen seiner Befragung ein gefährliches Netz. Doch Astrid geht zum Gegenangriff über.
Meisterhaft gelingt es dem preisgekrönten Dramatiker Marius von Mayenburg, in seinem Psychokrimi die vielen Aspekte und unvorhersehbaren Wendungen des toxischen Konflikts geschickt im Gleichgewicht zu halten. Er zeichnet ein feines Netz von Abhängigkeiten, Machtmissbrauch und Dynamiken in zwischenmenschlichen Beziehungen.
„Ellen Babić“ ist ein abgründiges Kammerspiel, in dem es keine Engel und keine Teufel gibt, sondern nur Menschen mit ihren Widersprüchen. Das suspendiert keineswegs die Frage der Schuld, (…)weil jede Vorverurteilung unterlaufen wird. Es sind keine plumpen Abziehbilder von „Strukturen“, die hier aufeinandertreffen, sondern Figuren mit Begehren, Sprache und Vorurteilen.
BERLIN Jakob Hayner, Die Welt, 29.2.2024
Mit Till Demtrøder u.a.
Regie: Sewan Latchinian
Hamburger Kammerspiele / EURO-STUDIO Landgraf
